Wenn einer eine Reise tut, kann er was erzählen. Charles Darwins Fahrt auf dem Vermessungsschiff “Beagle” (1831-1836) ist die Probe aufs Exempel. Während der fünfjährigen Expedition legte er den Grundstein für seine Evolutionstheorie, die unser Verständnis von der Welt ein für alle Mal veränderte.
Im August 1831 ist Charles Darwin (1809-1892) knapp 22 Jahre alt, hat ohne allzu großes Engagement zuerst Medizin, dann Theologie studiert und kann sich für keinen Beruf entscheiden. In dieser Phase der Unentschlossenheit bekommt er ein Angebot, das sein Leben und die Welt für immer verändern wird. Die britische Admiralität lädt ihn ein, die mehrjährige Vermessungsfahrt des Segelschiffes “H.M.S. Beagle” nach Südamerika und in den Pazifik als wissenschaftlicher Mitarbeiter zu begleiten. Empfohlen wird Darwin von angesehenen Forschern, denen seine außergewöhnliche Beobachtungsgabe aufgefallen ist. Die Reise dauert vom Dezember 1831 bis Oktober 1836 und führt unter anderem nach Brasilien, Feuerland, Patagonien, Galapagos, Neuseeland und Australien. Während der fünfjährigen Fahrt macht Darwin eifrig Notizen und sammelt kistenweise Gesteine, Fossilien sowie in Spiritus präparierte oder getrocknete Tiere.
Zweifel am biblischen Schöpfungsbericht
Neben der Zoologie fesselt vor allem die Geologie den jungen Privatgelehrten. Er vertieft sich in Charles Lyells (1797-1875) revolutionäres Werk “Principles of Geology”, das die Vielfalt geologischer Formationen nicht als Ergebnis eines einmaligen göttlichen Schöpfungsaktes, sondern als Folge über lange Zeiträume wirkender Kräfte und damit als Entwicklungsprozess begreift.
Schildkrötenpanzer weisen den Weg
Fossilien, die er in den Anden findet, bestätigen diese Theorie. Und allmählich reift in Darwins Kopf der Gedanke heran, dass auch die Artenvielfalt der Tierwelt durch ähnliche evolutionäre Prozesse entstanden sei. Auf den Galapagosinseln findet dieser Ansatz reiche Nahrung. Darwin beobachtet, dass die Tier- und Pflanzenwelt der abgeschiedenen Inseln merkliche Varianten aufweist. Auffällig sind vor allem die unterschiedlichen Panzerformen der Riesenschildkröten. Wo sich die Tiere hauptsächlich von Bodenpflanzen ernähren, haben sie runde, nach unten gezogene Panzer. Leben die Tiere in trockenen Regionen, sind ihre Panzer stark nach oben gezogen und gewähren dem Hals mehr Bewegungsfreiheit. Dadurch können die Schildkröten auch höher sprießende Blätter abfressen. Darwins Schluss ist bestechend: Offensichtlich haben sich die Tiere auseinanderentwickelt, um sich erfolgreich an unterschiedliche Umweltbedingungen anzupassen. Eine analoge Formen- und Artenvielfalt innerhalb einer Spezies beobachtet Darwin schließlich auch bei den Finken. Ihre Schnabelformen entpuppen sich als Anpassung auf das jeweilige Nahrungsangebot.
Anpassung an den Lebensraum als Evolutionsmotor
Nach England zurückgekehrt, entwickelt Darwin auf der Basis seiner Beobachtungen, Notizen und Präparate ab 1838 die Grundzüge einer Evolutionstheorie, die er anschließend in zwanzigjähriger Arbeit durch Belege untermauert. Da er um die Brisanz seiner Thesen weiß, hält er sie zunächst unter Verschluss. Erst als sich der Naturforscher Alfred Russel Wallace anschickt, eine ähnliche Theorie zu publizieren, entschließt sich Darwin 1858 zur Veröffentlichung.
Das 1859 erschienene Buch “On the Origin of Species” (“Über die Entstehung der Arten”) ist eine radikale Absage an den Schöpfungsglauben der Bibel: Nicht ein göttlicher Schöpfungsakt ist Ursprung der seither unveränderlich gebliebenen Artenvielfalt, sondern eine über Jahrmillionen durch Variation und natürliche Selektion wirksame, evolutionäre Anpassung an den Lebensraum. Um diesen Prozess zu beschreiben, führt Darwin die Begriffe “struggle for live” und “survival of the fittest” ein, meint damit jedoch nicht das “Überleben des Stärkeren”, sondern das “Überleben des am besten Angepassten”.
Die natürliche Zuchtwahl beruht für Darwin also keineswegs nur Kampf. Wichtig im “struggle for live” sind optimale Tarnung, Brutfürsorge und Kooperation mit anderen Tieren oder Pflanzen. Im Zuge der natürlichen Zuchtwahl kommt es, so Darwin, immer wieder zu einer Ko-Evolution von Pflanzen und Tieren, von Parasiten und Wirten, von Räubern und Beute zum Nutzen beider. In vielen Fällen ist nicht die Kraft eines Lebewesens ausschlaggebend für das Überleben, sondern seine Fähigkeit zur Symbiose. Vom Wettbewerb aller gegen alle an jedem Ort der Erde will Darwin nichts wissen.
Wie viel Schöpfer braucht die Natur? Der Streit um Darwin dauert an.
Darwins Theorie von der Zuchtwahl sowie seine später veröffentlichte, häufig polemisch verzerrte Theorie, dass sich Mensch und Affe aus gemeinsamen Vorfahren entwickelten, sorgt für Aufsehen und erbitterten Streit. Die heftige Ablehnung seiner Ansichten hält trotz ihrer längst erbrachten, soliden wissenschaftlichen Bestätigung bis heute an. Schätzungen zufolge lehnen etwa 40 Prozent aller Amerikaner die Evolutionstheorie zugunsten eines allgewaltigen göttlichen Weltenerschaffers ab. Auch in Deutschland verwerfen rund 1,3 Millionen Bundesbürger die Evolutionstheorie, gut 32 Prozent der Bevölkerung können sich einer TNS Infratest-Umfrage vom November 2005 zufolge nicht mit dem Gedanken einer nahen Verwandtschaft des Menschen mit dem Affen anfreunden.
Quelle: BR.de