Ist Darwin Schuld am Holocaust? 1


Neue Runde im Streit zwischen Kreationisten und Evolutionsbiologen. Ein amerikanischer Film behauptet, der Begründer der Evolutionslehre habe die nationalsozialistische Rassenideologie erst möglich gemacht

Dokumentarfilme müssen nicht fair sein, das wissen wir seit Michael Moore. In Filmen wie Fahrenheit 9/11 ist der streitbare Amerikaner erfrischend subjektiv. Er reißt die Zitate seiner Protagonisten aus dem Zusammenhang und nutzt das Mittel der Montage dazu, die Ideenwelt der Konservativen im Lager George W. Bushs zu demontieren.

Aber nicht alles, was nach Moore aussieht, ist gut. Das zeigt Ben Steins FilmExpelled: No Intelligence Allowed , der in der vergangenen Woche in amerikanischen Kinos angelaufen ist. Expelled bedeutet »ausgestoßen«, und Steins These lautet: Forscher werden gezielt aus der wissenschaftlichen Gemeinschaft vertrieben, wenn sie Zweifel an der Evolutionstheorie äußern und die Möglichkeit diskutieren, ob bei der Entstehung des Lebens »Intelligentes Design«, also eine göttliche Hand im Spiel gewesen sein könnte.

Vermutlich wird der Film schon aus ökonomischen Gründen nie in deutschen Kinos gezeigt werden, nur in den USA haben die Kreationisten eine nennenswerte Gefolgschaft, die einen Erfolg an der Kasse sichert. Und doch ist Expelled für Deutschland interessant: Gleich zweimal bemüht Stein in seiner Argumentation eine hanebüchene Parallele zur deutschen Geschichte. Schwarz-Weiß-Aufnahmen vom Bau der Mauer werden genutzt, um die »Mauer« zu illustrieren, die die etablierte Wissenschaft gegen die Kreationisten errichtet. Und Bilder von Naziaufmärschen und rollenden Panzern sollen die These stützen, Darwin habe die nationalsozialistische Rassenideologie und damit den Holocaust erst möglich gemacht.

Das Rezept erinnert an Michael Moore. Das Resultat ist plumpe Propaganda

Stein spielt in Expelled die Rolle eines vordergründig unabhängigen Journalisten. Die zwischen seine Interviews mit Kreationisten und Evolutionsbiologen geschnittenen historischen Bilder sollen den Film offenbar in Moorescher Manier »unterhaltsamer« machen – entlarven das Werk jedoch als plumpe Propaganda.

Ben Stein hat im Lauf seiner Karriere als Anwalt, Ökonom und Redenschreiber für Richard Nixon und Gerald Ford gearbeitet. Er wurde in den USA aber vor allem durch seine Auftritte als Schauspieler und Moderator in diversen Entertainment-Rollen bekannt. Vor einigen Jahren moderierte er die preisgekrönte Gameshow Win Ben Stein’s Money. Und er schreibt eine regelmäßige Kolumne unter dem Titel Everybody’s Businessfür den Wirtschaftsteil der New York Times . Sein Engagement für den Kreationismus ist nicht überraschend. Im Lauf seiner Karriere hat er sich öfter für konservative Strömungen stark gemacht, und er hält Richard Nixon auch posthum die Treue: Der hätte nämlich nach Steins fester Überzeugung das Terror-Regime Pol Pots verhindert, hätte man ihn nur im Amt gelassen. Die wahren Schuldigen an diesem Völkermord, so schrieb er vor drei Jahren im American Spectator, seien vielmehr Bob Woodward und die Washington Post, deren Watergate-Recherchen Nixon zum Rücktritt gezwungen hatten.

Um die These von der Schuld des Darwinismus am Holocaust zu belegen, reiste Stein, der aus einer jüdischen Familie stammt, ins hessische Hadamar. Dort waren 15.000 geistig behinderte Menschen im Rahmen von Hitlers Euthanasie-Programm ermordet worden. »Für mich als Juden hat dies eine persönliche Komponente, der ich nachgehen musste«, hört man Stein sagen und sieht ihn, wie er durch die Vernichtungsräume im Keller der Gedenkstätte geht und dann weiterfährt nach Dachau.

Dass der Film nicht nur dazu dienen soll, endlich einen prominenten Fürsprecher des Kreationismus zu etablieren – was in Amerikas Mediengesellschaft unabdingbar ist, um Publicity zu bekommen –, sondern ganz nebenbei auch Steins persönlichen Narzissmus befriedigt, wird spätestens am Ende von Expelled klar. In einem dramatischen Showdown wird eine Präsentation Steins über Intelligentes Design mit einer Rede verschnitten, in der Ronald Reagan 1987 vor dem Brandenburger Tor Gorbatschow aufforderte, die Mauer abzureißen.

Bisher hat der Film in den Mainstream-Medien nicht den von seinen Produzenten erhofften Entrüstungssturm ausgelöst. Die New York Timesnennt Expelled in einer kurzen Kritik schlicht »schmierig«. Doch die Menschen im amerikanischen Kernland ticken vor allem in Sachen Religion oft anders, als es die Medien wiedergeben, und so spielte der Film am ersten Wochenende respektable 3,2 Millionen Dollar ein . Zum Vergleich: Michael Moores Fahrenheit 9/11 setzte in den ersten drei Tagen 8,7 Millionen Dollar um.

Mit subversiver Taktik wurden die Kritiker zur Mitwirkung überredet

Ein Grund für den Achtungserfolg ist wohl, dass die Vertreter religiöser Zeitschriften, denen Expelled bereits seit Februar im Rahmen von Vorführungen in sogenannten Megachurches gezeigt wurde, weitaus passionierter berichteten und konservative Demagogen wie Talkradio-Moderator Rush Limbaugh den Film bewarben. Für das Marketing zeichnet die Firma Motive Entertainment verantwortlich, die bereits für Mel GibsonsPassion Christi die konservativen Christen zum Kinobesuch mobilisierte. Auf diese Weise bekamen auch die Befürworter eines Gesetzesvorschlags in Florida, der die Diskussion des Kreationismus in den staatlichen Schulen erlauben würde, den Film zu sehen. Allgemeine Presse-Previews fanden nur vereinzelt statt, und dem Biologen Paul Zachary Myers, der in dem Film zu Wort kommt, wurde sogar der Zutritt zu einer Vorschau verwehrt.

Die Auseinandersetzung mit Expelled findet bisher am lautesten auf YouTube statt, wo neben dem Protest zahlreicher Wissenschaftler und Zuschauer auch zwei der Anti-Kreationismus-Protagonisten des Films, Myers und Richard Dawkins, zu Wort kommen. Genüsslich zerpflücken sie den Film und klagen die subversiven Taktiken an, mit denen sie zur Mitwirkung überredet wurden.

Und es gibt schon eine Parodie: Das Filmchen Sexpelled: No Intercourse Allowed beschreibt (mit Originalclips aus Expelled) die dramatische Ausgrenzung von Forschern, die der Theorie anhängen, dass der Storch die Babys bringt.

Quelle:

http://www.zeit.de/2008/18/Expelled

2 Comments Kendi yorumunu ekle

  1. notebook chipset dedi ki:

    Google’da ararken makalenizi buldum konularınız dikkatimi çekti teşekkürlerimi sunarım

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