![]() Darwins Evolutionstheorie basiert auf drei Annahmen: 1. Alle Lebewesen haben Nachkommen, die sich von ihnen leicht unterscheiden (Mutation). 2. Lebewesen, die gut an ihre Umwelt angepasst sind, überleben besser und pflanzen sich häufiger fort (Selektion). 3. Die gesamte Artenvielfalt der Erde entstand durch die obigen zwei Annahmen (Darwins Hypothese). Die Evolutionstheorie ist aus der Biologie überhaupt nicht mehr wegzudenken. Biologen stützen sich ständig auf Darwins Theorie und sie erleben täglich an Dutzenden von Beispielen, dass diese Theorie funktioniert. Allerdings benützen die meisten Anwendungen die dritte These nicht. Dies wird in den oft sehr hitzigen Diskussionen zwischen Anhängern der Schöpfungsgeschichte (den sogenannten Kreationisten) und Anhängern der Evolutionstheorie (den Evolutionisten) meist übersehen, und zwar von beiden Seiten. Ich werde weiter unten darauf zurückkommen. Da die ersten zwei Annahmen kaum bestritten werden und da sie für fast alle Beispiele aus der täglichen Biologie genügen, will ich zunächst einmal zeigen, wie diese Annahmen eine Evolution zur Folge haben. Der Biologe Jacques Monod nannte die ersten zwei Annahmen ‚Zufall und Notwendigkeit’ (Mon 1). Zufällig sind die Mutationen, also Veränderungen der Gene, die weiter vererbt werden. Die Natur schafft die Kinder nicht gezielt besser als die Eltern. Die Natur weiss gar nicht, was ‚besser’ oder ‚schlechter’ ist. Die Kinder sind einfach oft ein bisschen anders als ihre Eltern. Notwendig sind gewisse Eigenschaften, damit ein Lebewesen überleben kann. Welche Eigenschaften überlebenswichtig sind, hängt von der Umwelt ab, in die das Lebewesen hereingeboren wird. Manche der Kinder haben zufälligerweise diese Eigenschaften nicht und sterben. Die zweite Annahme sagt: Es gibt eine Selektion und nur diese Selektion bestimmt, welche Eigenschaften überleben und sich fortpflanzen. 1. Beispiel: Giraffen haben lange Hälse Schauen wir mal an einem einfachen Beispiel einer, was diese zwei Regeln bewirken. Giraffen leben in einer Steppe, in der es einige hohe Bäume gibt. Giraffen mit längeren Hälsen erreichen die Blätter dieser Bäume besser als kurzhalsige Giraffen. Ausserdem erblicken die langhalsigen Giraffen allfällige Feinde früher und können gemächlich entfernen, während die kurzhalsigen öfters in anstrengende und gefährliche Kämpfe verwickelt werden. Giraffen mit langen Hälsen überleben also besser, erreichen häufiger das fortpflanzungsfähige Alter und haben deshalb mehr Nachwuchs. Dies ist die Situation. Die Frage ist: Weshalb haben Giraffen lange Hälse? -Darauf sind verschiedene Antworten möglich, z. B.: – Ein weiser Schöpfergott hat den Giraffen einen langen Hals gegeben, weil sie den in ihrer Umwelt brauchen. – Die Giraffen strecken sich immer wieder so sehr nach den Blättern, dass ihre Hälse immer länger werden. Die so erworbene Eigenschaft vererben sie ihren Jungen weiter (Theorie von Lamarck). – Darwin sagte: Die obigen zwei Annahmen Mutation und Selektion bzw. Zufall und Notwendigkeit reichen bereits aus, damit die Giraffen nach vielen Generationen lange Hälse haben. Es braucht dazu keinen Schöpfergott und die während des Lebens erworbenen Eigenschaften müssen auch nicht weitervererbt werden, wie Lamarck dies annahm. Wie führen Darwins Annahmen zu langen Hälsen? Die Evolution der Giraffenhälse nach Darwin ist in Abbildung 1 dargestellt. Je weiter links, desto kürzer sind die Hälse der Giraffen, je weiter rechts, desto länger sind sie. Jede Zeile bedeutet eine neue Generation. |
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Abbildung 1 | |||
Abbildung 2. Wie neue Arten entstehen. | |||
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Im Viktoriasee leben heute fast 500 verschiedene Buntbarscharten. Der Wasserspiegel des Viktoriasees ist am Ende der letzten Eiszeit stark gesunken. Dabei wurden die Buntbarsche in verschiedene Gruppen getrennt und es ist anzunehmen, dass sich diese Gruppen sich in nur rund 15´000 Jahren genetisch so weit voneinander getrennt haben, dass keine Kreuzungen mehr möglich waren (Lin 1). Der entscheidende Prozess bei der Artenbildung kann also sehr rasch ablaufen. Der Zeitpunkt der Trennung kann heute durch Genvergleiche ermittelt werden. Wir wissen, wie häufig Mutationen geschehen. Je mehr Gene sich unterscheiden, desto mehr Zeit ist seit der Trennung vergangen (es handelt sich hier um dasselbe Verfahren wie beim Vaterschaftstest).Dass eine Art plötzlich geografisch in zwei Teile geteilt wird, kann auf viele Weisen passieren. In der letzten Eiszeit war z. B. ganz Nord- und Mitteleuropa mit Eis überzogen. Verschiedene Vogelarten zogen in den Süden und wurden da in zwei Gruppen getrennt: Eine in Südfrankreich und Spanien und eine in der Türkei und Griechenland. Nach der Eiszeit kehrten sie in den Norden zurück, durchmischten sich aber nicht mehr vollständig. So entstanden aus einem gemeinsamen Vorfahr die Nebelkrähe in Osteuropa und die Rabenkrähe in West und Mitteleuropa. Dazwischen, im Elbegebiet, kommt es noch zur Bastardbildung. Hier gibt es also in der Natur noch Kreuzungen, Raben- und Nebelkrähe verhalten sich in diesem Grenzbereich wie zwei Rassen einer Art. Ausserhalb dieses Bereiches sind es zwei verschiedene Arten (Lin 1).Artenentstehung durch Spezialisierung
Eine strikte geografische Trennung ist aber gar nicht nötig, damit aus einer Art zwei weitere entstehen können. Von den 500 Buntbarscharten im Viktoriasee lebt keine einzige im ganzen See. Es reicht schon, wenn einige Barsche sich auf das Leben in Ufernähe besser angepasst sind und auch in der Nähe des Ufers ihre Partner für die Paarung suchen. So entfernt sich diese Untergruppe sehr rasch von den Barschen, die lieber im offenen See leben. Vor allem bei Pflanzen können neue Arten auch dadurch entstehen, dass zwei verschiedene Arten gekreuzt werden. Die Kreuzung ist zwar nach Definition unfruchtbar, sonst hätte es sich ja nicht um zwei verschiedene Arten gehandelt. Pflanzen können sich aber auch vegetativ vermehren, indem sie Ableger bilden, wie sie z. B. die Erdbeeren gut sichtbar sind. Wenn die Kreuzung sich so einige Zeit vermehrt, kann es geschehen, dass in einer Pflanze sich die Chromosomenzahl verdoppelt, so dass diese Pflanze fruchtbar wird. Damit hat sich eine neue Art gebildet, die mit den ursprünglichen zwei nicht gekreuzt werden kann. So entstand vor ca. 8000 Jahren aus dem Einkorn und einer unbekannten Weizenart der wilde Emmer. Dieser kreuzte mit einem wilden Verwandten, wobei der Saatweizen entstand (externer Link: Beck). Eine dritte Möglichkeit, wie neue Arten entstehen können, ist eine einzelne spontane Mutation. Dies ist z. B. beim grossen Panda vermutlich geschehen. Vier Bärenchromosomen klebten so zusammen, dass daraus zwei Chromosomen wurden (externer Link: Beck). Allgemein spielt die Vervielfältigung einzelner Gene oder ganzer Chromosomen in der Evolution eine wichtige Rolle. Diese Genverdoppelungen passieren, wenn Ei- oder Samenzellen entstehen und gleiche Chromosomenabschnitte untereinander austauschen. Manchmal erhält eine Tauschpartner mehr als nur die ihm zustehenden Gene, so dass er einige Gene doppelt hat. Dies ist für das Lebewesen nicht unbedingt ein Nachteil, da die zusätzlichen Gene sozusagen eine Sicherheitskopie sind. Da die Gene nun doppelt vorkommen, können auch ohne grosse Gefahr Mutationen an diesen Genen passieren. Artenentstehung durch Sprachprobleme Ein lustiges Beispiel für die Entstehung neuer Arten ist der Grünlaubsänger, der im Himalayagebiet lebt. Diese Vögel lebten ursprünglich südlich des Himalayas und zogen dann in zwei Gruppen auf verschiedenen Routen westlich und östlich am Gebirge vorbei nach Sibirien. Während des Zugs veränderten sie ihren Gesang auf unterschiedliche Weise. Die verschiedenen Gruppen sangen bzw. komponierten beim Zusammentreffen in Sibirien anders. Die Balzrufe verhallten ungehört. Vögel der einen Gruppe konnten sich mit denen der anderen nicht mehr paaren, sie gehörten also zu einer anderen Art. Artenentstehung durch Zucht Dass neue Pflanzenarten gezüchtet werden, ist keine Seltenheit. Wir könne also der Evolution live zuschauen. Bei Tieren geschieht es allerdings viel seltener, dass eine neue Art entsteht. Ein Beispiel ist aber der Schmetterling Heliconius, der durch Kreuzung zweier verwandter Arten im Labor entstand. Die neu entstandene Art gleicht einer Art, die tatsächlich in der Natur vorkommt. Die Biologen diskutieren deshalb darüber, ob das Laborexperiment sich vielleicht früher schon in der Natur abgespielt haben könnte. Darwin oder Lamarck? Darwin hat gezeigt, dass es Lamarcks Mechanismus und den Schöpfergott nicht braucht, um die Verschiedenheit der Arten zu erklären. Er hat aber nicht bewiesen, dass es sie nicht geben kann und dass sie nicht wenigstens ab und zu in der Natur eine Rolle spielen. Umgekehrt würde Darwins Theorie wertvoll bleiben, selbst wenn einige Eigenschaften nachgewiesen würden, die nicht durch Evolution entstanden sein können. Tatsächlich deuten Resultate der Epigenetik darauf hin, dass manche anerworbene Eigenschaften weitervererbt werden können (externer Link: Gehirn & Geist). Wie die Gene wirken, hängt stark davon ab, ob sie an- oder ausgeschaltet sind. Damit befasst sich die Epigenetik. Durch bestimmte Lebenserfahrung, z. B. durch Kindsmisshandlung, werden gewisse Gene ausgeschaltet. Diese Gene können dann weitervererbt werden, sind aber beim Nachkommen möglicherweise immer noch ausgeschaltet. Es scheint auch, dass in der Samenzelle und komplementär dazu in der Eizelle grundsätzlich gewisse Gene ausgeschaltet werden, so dass gewisse Eigenschaften viel eher von der Mutter vererbt werden, während für andere der Vater zuständig ist. Wenn diese Abschaltung nicht erfolgt, kommt es zu ernsthaften Störungen vor allem im Nervensystem, bis zu Lebensunfähigkeit. Es sieht also so aus, als spielten Lamarcks und Darwins Mechanismen eng zusammen. Keine wissenschaftliche Theorie baut auf so einfachen und einsichtigen Annahmen wie Darwins Evolutionstheorie und ist doch so universal und tiefgreifend in ihrer Aussagekraft. Darwins Evolutionstheorie ist in diesem Sinne die schönste Theorie, welche je ein einzelner Naturwissenschafter hervorgebracht hat. Es gibt kaum einen modernen Artikel zur Biologie, der nicht direkt oder indirekt mit der Evolutionstheorie zusammenhängt. Die Evolutionstheorie beeinflusst neben der Biologie die Medizin, die Chemie, Philosophie, Soziologie, Psychologie und sogar die Computerwissenschaften. Die vielen Tausend Beispiele, die Darwins Theorie bestätigen, beweisen nicht die dritte Annahme, dass Darwins Theorie die ganzeArtenvielfalt und die Eigenschaften aller Lebewesen erklärt. Auch wenn wir erklären können, wie neue Eigenschaften und neue Arten durch Evolution entstehen, könnte es immer noch sein, dass ein Schöpfer in gewissen speziellen Fällen in die Evolution eingreift und Elemente hinzufügt, die alleine durch Zufall und Notwendigkeit nicht hätten entstehen können. Damit wäre die Evolutionstheorie aber nicht widerlegt. Man könnte sie in all den unzähligen Beispielen aus dem biologischen Alltag weiter nützlich verwenden. Es müsste lediglich die dritte Annahme relativiert werden. Vielleicht gibt es einen Schöpfer, der in einzelnen Fällen eingreift. Kreationisten füllen ganze Bücher mit Beispielen, die sie nicht mit der Evolutionstheorie erklären können. Meist sind die Beispiele aber nur ein Beweis für die mangelnde Phantasie des jeweiligen Autors. Wie durch Zufall und Notwendigkeit sehr raffinierte Eigenschaften entstehen können, zeige ich in einem separaten Artikel am Beispiel des Linsenauges. Darwins dritte Annahme kann nicht bewiesen werden. Trotzdem ist sie aus wissenschaftlicher Sicht plausibel, weil sie dem Ökonomieprinzipentspricht. Ein Schöpfer ist ein sehr kompliziertes Wesen und macht die Theorie sehr viel komplizierter. Darwins Annahmen sind dagegen verblüffend einfach. Solange sie als Erklärung ausreichen, sollten wir keine weiteren Annahmen hinzufügen. Andererseits glauben auch viele Wissenschafter an einen Schöpfer und dies steht nicht im Widerspruch zu den wissenschaftlichen Theorien. Unheimlich wird mir der Glaube dann, wenn die Bibel wörtlich als wahr verstanden wird. Dabei wird oft übersehen, dass es zweiSchöpfungsgeschichten gibt, die sich gegenseitig widersprechen. Beide stehen im ersten Buch Mose gleich hintereinander ganz am Anfang. Aber wenn mir jemand die Bibel erklären will, dann weiss er dies meistens nicht. Meist wissen solche Leute auch sonst nicht sehr viel von der Bibel. Meine Bibel hat über 1200 Seiten. Zwei davon betreffen die Schöpfungsgeschichte. Ein grosser Teil des Restes dreht sich um die Geschichte des Volkes Israel, über zweihundert Seiten füllen die Gesetze, die vor viertausend Jahren für Nomaden in der Wüste sinnvoll waren. Die Grundidee hinter diesen Gesetzen ist edel und für die damalige Zeit sind die Gesetze bemerkenswert human. Aber wie auch die Schöpfungsgeschichte wurden sie für einfache Nomaden geschrieben. Christlich leben heisst nicht, die Gesetze und das Weltbild der Nomaden als starre Form zu übernehmen. Christlich leben heisst, die humanistische Grundidee aus dem Gesamtwerk herausspüren und sie in unsere moderne Zeit übersetzen. Den humanistischen Wert finde ich z. B. in der christlichen Nächstenliebe: “Du sollst dich nicht rächen, auch nicht deinen Volksgenossen etwas nachtragen, sondern du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.” (3. Mose, 19,18) Nichts an dieser Idee wird schwächer, wenn wir die Schöpfungsgeschichte hinterfragen. Andere biblische Gesetze hingegen sollen hinterfragt werden, denn sie gehören nicht in unsere Zeit. Sie waren vielleicht vor 4000 Jahren nötig, als Mose ein Nomadenvolk durch eine Wüste voller verfeindeter Völker führen musste. Heute reichen uns aber humanere Methoden, weil wir andere Probleme haben. Gesetze wie die folgenden stehen zwar in der Bibel, sie sind aber trotzdem für unsere Zeit falsch: – Wer am Sabbattag arbeitet, der soll sterben (2. Mose, 31,15) Die zitierten Sätze repräsentieren nicht die Grundhaltung der Bibel. Aber sie zeigen eine brutale Seite, die in der Nomadenwelt zum Leben gehörte, die wir aber nicht akzeptieren wollen. Wenn wir heute im Sinne des Christentums handeln wollen, so müssen wir diese Gesetze verwerfen. Denn der Kern des Christentums liegt nicht in starren Worten oder in Sätzen, er liegt im Weg: als Menschen zusammenzuleben, unter dem Leitmotiv der christlichen Nächstenliebe. Wie einst Mose suchen wir Gesetze und Regeln, die das Zusammenleben möglich machen. Starke und Schwache sollen durch Gesetze und durch Moral in einer humanen Gesellschaft geschützt sein. Die Gesetze geben uns Sicherheit und Freiheit. Vor diesem Hintergrund muss auch die Schöpfungsgeschichte gelesen werden. Wie die Gesetze wurde sie für ein Nomadenvolk geschrieben. Sie ist ein Mythos, wie ihn Nomaden brauchten. Das befreite Sklavenvolk in der Wüste brauchte kein wissenschaftliches Modell, mit dem es die Experimente der Teilchenphysik und der Gentechnologie hätte vorherberechnen können. Das Volk Israel brauchte einen Mythos. Eine Ordnung. Einen Angelpunkt. Einen Gott, der die Ordnung sicher stellt. Sie kriegten zwei Schöpfungsmythen und das war gut so. Aber wie wir die Gesetze und die Moral weiterentwickelt haben, so müssen wir auch die Mythen weiterentwickeln und unserer Zeit anpassen. Wir dürfen an Gott glauben. Aber wir dürfen auch sicher sein, dass Gott zu uns anders reden würde als zu den Nomaden. Nicht jedes Wort von damals muss heute noch bis auf´s Letzte verteidigt werden. Artikel auf dieser Homepage: Bücher: |
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Nicht geklärt wird durch Darwins Theorie die Frage: Wie entstand das erste Lebewesen? Dazu in einem späteren Artikel mehr oder siehe: | |||
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Siehe dazu auch den schönen Film, den es leider nur in Englisch gibt: Film 1 (mit Musik von Bethoven).Weitere Bücher zum Thema Evolution |